Sicherungs- und Stromkreisschutz

Überstrom

Bei Überstrom handelt es sich um einen Zustand in einem Stromkreis, bei dem der normale Laststrom überschritten wird. Die zwei grundsätzlichen Formen von Überstrom sind Überlasten und Kurzschlüsse. Im Falle gefährlicher Überströme spielen Sicherungen und Schutzschalter eine wichtige Rolle beim Schutz von Mitarbeitern und Zubehör.

Kurzschluss

Ein Kurzschluss ist eine Überstrombedingung, bei der eine unnormale Leiterbahn mit niedrigem Widerstand in den Stromkreis integriert wird. Diese niederohmige Leiterbahn übertrifft die normale Last und sorgt für extrem hohe Stromstärken (unter bestimmten Bedingungen bis zu 1000-mal höher als der Betriebsstrom). Gemäß dem ohmschen Gesetz kann ein typischer Stromkreis unter normalen Bedingungen wie folgt beschrieben werden:

Typical circuit under normal conditions

 

 

Im Falle eines Kurzschlusses wird ein unnormaler Pfad mit niedrigem Widerstand erzeugt, der dazu führt, dass die Stromstärke bei geringerer Widerstandsschaltung erhöht wird. Bei einem Kurzschluss kann die Stromstärke 1000-mal so hoch sein wie der Betriebsstrom. Der Schaltplan eines Kurzschlusses ist unten abgebildet:

circuit diagram of a short circuit

 

 

Überlastung

Bei einer Überlastung handelt es sich um einen Überstrom, bei dem die Spannung die normale Kapazität des Stromkreises ohne Fehlerbedingung (Kurzschluss) unter voller Auslastung überschreitet. Ein kurzfristiger Überlastzustand (auch „Einschaltstrom“) kann auftreten, wenn ein Stromkreis bei einer Kondensatorladung oder einem Motoranlauf erstmals in Betrieb genommen wird. Der Schaltplan bei Überlasten ist unten abgebildet:

over load circuit diagram

Parameter und Kriterien

Um das passende Schutzgerät auszuwählen, sollten die folgenden Parameter und Kriterien berücksichtigt werden:

1. Was ist der normale Betriebsstrom des Stromkreises?

2. Wie hoch ist die Betriebsspannung?

3. Handelt es sich um einen AC- oder DC-Stromkreis?

4. Wie hoch ist die Betriebsumgebungstemperatur?

5. Wird das Gerät zum Kurzschlussschutz, Überlastschutz oder zu beidem verwendet?

6. Welche physischen Größenbeschränkungen gibt es?

7. Muss die Sicherung vor Ort austauschbar sein?

8. Muss Rücksetzbarkeit möglich sein?

9. Wie wird das Gerät montiert?

10. Welche Überlegungen gibt es kostenseitig?

1. Was ist der normale Betriebsstrom des Stromkreises?

Um die richtige Stromstärke der Sicherung auszuwählen, muss zunächst der Ruhestrompegel des Stromkreises bei einer Umgebungstemperatur von 20 °C (68 °F) ermittelt werden. Nach Bestimmung des Stromwertes wird die Sicherungsleistung ausgewählt; sie beträgt 135 % dieses Wertes (aufgerundet auf den nächsthöheren Standardwert).

Wenn der normale Ruhestrom z. B. mit 10 A errechnet wird, sollte eine 15-A-Sicherung ausgewählt werden: [10 A x 135 % = 13,5 A; die nächsthöhere Standardgröße ist 15 A].

Es ist wichtig zu berücksichtigen, dass der nominale Sicherungsstrom deutlich höher oder niedriger sein muss, wenn die Sicherung in Umgebungen mit deutlich höheren oder niedrigeren Umgebungstemperaturen verwendet werden soll.

2. Wie hoch ist die Betriebsspannung?

Die grobe Regel ist, dass der Spannungswert der Sicherung immer höher sein muss als der Spannungswert des zu schützenden Stromkreises. Beträgt die Spannung z. B. 24 V, muss die Sicherungsspannung über 24 V liegen (ja, sie kann 250 V betragen, solange sie höher ist als die Stromkreisspannung).

3. Handelt es sich um einen AC- oder DC-Stromkreis?

Es gibt zwei bestimmte Arten von AC-Stromkreisen (Wechselstrom) oder DC-Stromkreisen (Gleichstrom). Wechselstrom wird üblicherweise in elektrischen Geräten zu Hause verwendet. Wechselstrom wird in erster Linie durch Maschinen wie Generatoren erzeugt und über das Stromnetz bezogen. Gleichstrom wird normalerweise in elektronischen und Automobilanwendungen verwendet. Gleichstrom wird normalerweise durch eine chemische Reaktion (z. B. Batterien und Solarzellen) generiert oder mit Hilfe von AC-DC-Wandlern von Wechselstrom umgewandelt. Bei Wechselstrom schwanken Stromstärke und Spannung. Dank dieser Schwankungen kann die Sicherung schnell reagieren. Gleichstrom bietet diese Schwankungen nicht, deshalb muss die Sicherung nach dem Öffnen den Stromkreis auf andere Weise unterbrechen.

Wegen dieser Differenzen wurden einige Sicherungen speziell zur Nutzung in Gleichspannungsanwendungen entwickelt (z. B. Automobilsicherungen). Einige Wechselstromsicherungen können in Gleichstromanwendungen genutzt werden, in diesen Fällen kann es jedoch zu einer Leistungsreduzierung kommen.

4. Wie hoch ist die Betriebsumgebungstemperatur?

Umgebungstemperatur beschreibt die Lufttemperatur des Standorts, an dem die Sicherung sich befindet. Normalerweise werden Sicherungen von Sicherheitsbehörden wie UL und CSA unter Laborbedingungen getestet. In Laboren herrschen fast immer Temperaturen von 20 °C oder 77 °F. Diese Bedingungen entsprechen leider nicht den üblichen Einsatzbedingungen.

Sicherungen sind hitzeempfindlich, was bedeutet, dass Hitze (Überstrom) das Sicherungselement im Inneren zum Schmelzen bringt. Je wärmer, desto schneller schmilzt das Element, und je weniger Hitze, desto länger dauert es, das Element zum Schmelzen zu bringen.

Wird eine Sicherung Temperaturen über 20 °C ausgesetzt, muss die Stromstärke der Sicherung erhöht werden, um die höhere Temperatur auszugleichen (und Fehlauslösungen zu vermeiden). Wird die Sicherungen bei niedrigeren Temperaturen verwendet, muss die Stromstärke der Sicherung ebenfalls verringert werden (weil sie sich ansonsten eventuell nicht öffnet).

Die grobe Regel ist, dass die Nennleistung einer Sicherung bei jeder Temperaturerhöhung oder -senkung von 20 °C jeweils 10 bis 15 % erhöht oder gesenkt werden sollte.

Beispiel einer Anpassung der Sicherungs-Nennleistung bei höherer Umgebungstemperatur:

Betriebsstrom bei voller Auslastung: 1 A

Normale Sicherungsgröße: 1,5 A (135 % des Laststroms, aufgerundet auf den nächsthöheren Standardwert)

Umgebungstemperatur: 65 °C

Neue Nennleistung: 2 A (130 % des normalen Sicherungswertes)

 

Wird die Sicherung bei extrem niedrigen Temperaturbedingungen genutzt, muss die Sicherung eine niedrigere Nennleistung haben als unter normalen Bedingungen. Beispiel einer Anpassung der Sicherungs-Nennleistung bei niedrigerer Umgebungstemperatur:

Betriebsstrom bei voller Auslastung: 1 A

Normale Sicherungsgröße: 1,5 A (135 % des Laststroms, aufgerundet auf den nächsthöheren Standardwert)

Umgebungstemperatur: -15 °C

Neue Nennleistung: 1,2 A (70 % des normalen Sicherungswertes, aufgerundet auf den nächsthöheren Standardwert)

5. Wird das Schutzgerät zum Kurzschlussschutz, Überlastschutz oder zu beidem verwendet?

Wird das Gerät zum Kurzschlussschutz verwendet, muss die Sicherung den Stromkreis schnell unterbrechen (normalerweise in weniger als 4 Millisekunden), um maximalen Schutz für Mitarbeiter und Geräte zu gewährleisten.

Dient die Sicherung nur dem Überlastschutz, kann sie wesentlich langsamer reagieren, d. h. in Sekunden oder gar Minuten (anstatt Millisekunden).

Alle Sicherungen bieten Kurzschlussschutz in einer bestimmten Form sowie Überlastschutz, wohingegen viele Schutzschalter NUR dem Überlastschutz dienen und nicht vor gefährlichen Kurzschlüssen schützen.

6. Welche physischen Größenbeschränkungen gibt es?

Sicherungen und Schutzschalter müssen vielfach an Orten mit räumlichen Einschränkungen montiert werden. Aus diesem Grund haben Hersteller von Sicherungen bzw. Schutzschaltern eine große Auswahl an Komponenten in verschiedenen Größen entworfen. Diese bringen allerdings oftmals Nachteile mit sich, die es zu berücksichtigen gilt.

Allgemein gilt: je kleiner eine Sicherung, desto geringer die Stromstärke oder die Funktionen, über die die Sicherung oder der Schutzschalter verfügt. Eine Subminiatur-Sicherung ist z. B. auf 15 A beschränkt, während die größere 1/4″ x 1 1/4″ Glasröhrensicherung auf bis zu 40 A ausgelegt ist.

Obwohl die Sicherung kleiner sein kann, sollte berücksichtigt werden, dass die entsprechende Sicherungsfassung evtl. deutlich größer ist.

7. Muss die Sicherung vor Ort austauschbar sein?

Sicherungen sollen Stromkreise bei Überstrom, wie Kurzschlüssen oder Überlasten, öffnen. Der Techniker muss entscheiden, ob die Sicherung vor Ort austauschbar sein soll.

Der Hauptgrund für eine vor Ort austauschbare Sicherung ist, dass sie für den Endanwender einfach praktischer ist, um Geräte schnell wieder in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen. Es gibt verschiedene Gründe, sich für eine nicht vor Ort austauschbare Sicherung zu entscheiden: 1. Durch den Einbau eines Sicherungssockel im Gegensatz zu einer gelöteten Sicherung auf der Leiterplatte können die Kosten für den Hersteller wesentlich höher ausfallen. 2. Der Hersteller möchte aus Haftungsgründen nicht, dass der Endkunde auf das Innere des Gerätes zugreifen und die Sicherung selbst auswechseln kann. Das trifft vor allem im Falle eines Kurzschlusses zu. 3. Der Hersteller hat die Abnutzung einiger Teile vorgesehen (geplante Obsoleszenz) und bevorzugt, die gesamte Leiterplatte anstatt nur eine Sicherung auszutauschen.

8. Muss Rücksetzbarkeit möglich sein?

Dem Techniker stehen Einmalsicherungen oder rücksetzbare Sicherungen zur Verfügung. Beide Sicherungen bieten Überlastschutz. Rücksetzbare Sicherungen sind nur für Stromkreisanwendungen von bis zu 14 A (bei 12 V) und sogar geringerer Stromstärke bei höherer Spannung geeignet. Schutzschalter können ebenfalls rücksetzbar sein und über Werte von 1 A bis 300 A verfügen.

Einmalsicherungen sind selbsterklärend. Sobald sie beansprucht werden, schmilzt die Verbindung im Inneren und die Sicherung muss ersetzt werden. Auch bei einer ausgetauschten Sicherung kann ein Kurzschluss oder eine Überlast auftreten, was zu einer Öffnung der neu ersetzten Sicherung führen kann. Daher sollte darauf geachtet werden, dass zunächst das Problem, das die Öffnung der Sicherung ausgelöst hatte, behoben wird, bevor die geöffnete Sicherung durch eine neue ersetzt wird.

9. Wie wird die Sicherung montiert?

Eine der wichtigsten Überlegungen ist die Montage der Sicherung im Stromkreis. Es gibt mehrere Optionen:

1. Direkt gelötet: Bei dieser Methode wird die Sicherung direkt auf die Leiterplatte gelötet. Der Nachteil dabei ist, dass Teile nicht vor Ort ausgewechselt werden können, wie oben ausführlich erklärt. Durch diese Montagemethode können die Kosten jedoch deutlich gesenkt werden.

2. Sicherungsklammern: Sicherungsklammern sind relativ günstig und erlauben die Austauschbarkeit vor Ort. Sicherungsklammern werden normalerweise auf eine Leiterplatte montiert, d. h. der Endanwender muss die Gerätekomponente öffnen können. Das Entfernen einer Sicherung von der Sicherungsklammer, ohne sie von der Stromquelle zu trennen, kann beim Berühren der Sicherung einen Stromschlag verursachen. Sicherungsklammern stehen für alle Röhrensicherungen und Mikrosicherungen zur Verfügung. Normalerweise sind Sicherungsklammern auf 20 A des Betriebsstroms begrenzt (und auch mit 30 A erhältlich). Sicherungsklammern werden allgemein nicht von Sicherheitsbehörden aufgeführt oder anerkannt.

3. Auf der Instrumententafel montierte Sicherungshalter: Auf der Instrumententafel montierte Sicherungshalter ermöglichen dem Endanwender den problemlosen Zugang zur Sicherung, um sie vor Ort auszutauschen. Der auf der Instrumententafel montierte Sicherungshalter ist stoßsicher. Deshalb können Sicherungen nach Abnahme des Gehäuses sicher entfernt werden, was möglichen Stromstößen vorbeugt. Sicherungshalter werden üblicherweise von Sicherheitsbehörden wie UL und CSA getestet und anerkannt. Sicherungshalter sind mit Werten von bis zu 30 A erhältlich.

4. Sicherungs-Reihenklemmen: Sicherungs-Reihenklemmen ähneln Sicherungsklemmen, müssen aber nicht auf der Leiterplatte montiert werden. Auf in Sicherungsleisten montierte Sicherungen kann normalerweise durch Öffnen des Gehäuses zugegriffen werden, was zu einem Stromschlag führen kann, falls das Gerät vorher nicht von der Stromquelle getrennt wurde. Sicherungs-Reihenklemmen sind eine der wenigen Möglichkeiten, um Sicherungen mit hoher Stromstärke zu montieren.

5. Reihensicherungshalter: Reihensicherungshalter werden üblicherweise als Teil einer Kabelbaummontage verwendet oder wenn keine Oberfläche für eine andere, sichere Montageart zur Verfügung steht. Reihensicherungshalter sind in der Regel mit Werten von bis zu 100 A in Anwendungen mit niedrigen Spannungen und Werten von bis zu 30 A bei Anwendungen mit hoher Spannung verfügbar.

10. Welche Überlegungen gibt es kostenseitig?

Kostenüberlegungen hängen von der Größe, Performance und Montageart der Sicherung ab. Allgemein gilt: Je größer die Sicherung, desto teurer wird sie sein (wegen höherer Materialkosten). Die Leistungseigenschaften einer Sicherung sollten bei der Kostenfrage ebenfalls berücksichtigt werden. Eine Automobilsicherung mit 10 A und niedriger Spannung ist deutlich günstiger als eine extrem schnelle Keramik-Röhrensicherung mit 500 V und gleichem Amperewert. Auch die Abnahme durch Sicherheitsbehörden erhöht die Gesamtkosten einer Sicherung. Einer der größten Kostenfaktoren ist der Sicherungshalter. Ein typischer Sicherungshalter zur Leiterplattenmontage ist häufig um ein Vielfaches teurer als die Sicherung an sich.